Winterlich-vorweihnächtliches Sankt Petersburg
Es weinachtet sehr, auch in Sankt Petersburg. Der Winter 2023/2024 begann vergleichsweise früh um den
25. November mit Tagestemperaturen teilweise unter -10 Grad und täglichen Schneefällen. Zwei
Wochen vor Weihnachten (24./25. Dezember) präsentiert sich die Stadt in schönstem Winterkleid.
Und sorry, liebe Schweizer Stadtväter, -mütter sowie Beleuchtungs- und Eventverantwortliche -
verglichen mit der jährlich ändernden, üppigen, farbenfrohen und fantasievollen
städtischen Petersburger Weihnachtsdekoration gibt eure gefühlt seit Jahren gleiche
Weihnachtsdekoration eine eher kausrige Figur ab.

Wer schon mal zur Zeit der Weihnachts-/Neujahrstage in Russland war, wird die beiden kennen - Väterchen
Frost und seine Nichte Schneeflöckchen (
Дед мороз и Снегурочка).
Obwohl dem älteren Herr eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Nikolaus oder Weihnachtsmann nicht
abzusprechen ist, hat
Дед мороз ganz andere historische Wurzeln. Anders als in obigem
Bild hat
Дед мороз meist einen Stab ähnlich jenem des Nikolaus bei sich -
allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Bischofsstab, sondern einen Frostmacher: alles, was
Дед мороз damit berührt, wird augenblicklich von Frost befallen. Frost spielte
in der früheren slawischen Mythologie und Folklore eine wichtige Rolle und war im praktischen Leben eine
beständige Gefahr während der Winterszeit, welche durchaus auch ein halbes Jahr dauern konnte:
einerseits für die für den Winter eingelagerten Lebensmittelvorräte und damit die Arbeit
vergangener Monate und andrerseits für das Frühjahrs- und Sommersaatgut. Der Frost als Naturelement
sollte mit einem festlichen Essen basänftigt werden, stellvertretend wurden dazu die Grossväter oder
andere alte Männer aus der Verwandtschaft eingeladen. Als Gegenleistung wurde Schutz vor erfierendem
Getreide, Gartenkulturen und Lebensmittel erhofft oder erwartet - und eine reiche Ernte im kommenden Jahr
obendrein.
Das Weihnachtsfest in Russland wurde im Jahre 1700 von Peter dem Grossen per Dekret verordnet. Nach der
1917er-Revolution verboten die Bolschewiki alle religiösen und 'bürgerlichen' Feste und deren Symbole
oder schränkten diese ganz erheblich ein.
Bereits 1935 wurde jedoch die Aufstellung und das
Schmücken von Tannenbäumen zum Jahreswechsel wieder erlaubt, auch
Дед мороз
kehrte damit zurück. Zeitweise wurde er neben
Снегурочка noch von einem Knaben
begleitet, auf dessen Mütze die Jahreszahl des neuen Jahres geschrieben stand. Der Knabe stand für das
neue und
Дед мороз für das alte Jahr. Die 'Weihnachtsbäume' in Russland
heissen bis heute kurz und bündig
Ёлка (Tanne, Tannenbaum) oder
Новогоднее дерево (Neujahrsbaum). Aus demselben Grund bringt
Дед
мороз die Geschenke nicht wie bei uns am 24. oder 25. Dezember, welche in Russland keine Feiertage
sind, sondern am Abend des 31. Dezember.
Bevor Geschenke ausgepackt werden können muss, wer streng nach russisch-orthodoxem
Kanon lebt, vor dem Weihnachtsfest des 7. Januar eine 40-tägige Fastenzeit, also ab 28. November,
einhalten! Also wäre eigentlich auch am 31. Dezember noch nichts mit schlemmen und vielleicht einem
Extra-Gläschen Wodka auf das neue Jahr...
In den neunziger-Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte
Дед мороз eine Kommerzialisierung und ist spätestens ab 10. Dezember in der
Öffentlichkeit omnipräsent. Was der Schweiz das Postamt von 9705 Wienacht-Tobel, ist russischen
Kindern ein grösseres
Anwesen
inkl. eigenem Postamt ausserhalb des im hohen Norden Russlands gelegenen Städtchens
Welikij Ustjug (
Великий Устюг). Dort kann
Дед мороз ganzjährig besucht werden. Im Web gibt es sogar eine ausführliche,
informative und interessante russischsprachige
Ded
Moros-Enzyklopädie.
Und nun wünsche ich allen
С новым годом!